Alexandra Popp winkt bei ihrem Abschiedsspiel ins Publikum.

Alexandra Popp: Abschied einer Alleskönnerin

Die Ausnahmespielerin aus dem Ruhrgebiet war eine der prägenden Figuren des deutschen Frauenfußballs. Mit ihrem Rücktritt steht die Nationalmannschaft vor einem Umbruch. Was war das Besondere an Alex Popp? Und ist sie zu ersetzen?

Am Ende darf sie noch einmal ganz nach vorne. Dorthin, wo sie immer am stärksten war. In den Sturm. Sie will es. Die Mannschaft will es. Das Publikum will es. Ein letztes Tor von Alexandra Popp im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. 

In der dritten Minute ihres Abschiedsspiels an diesem Montagabend im Oktober 2024 gibt es einen Freistoß für Deutschland. 17, 18 Meter vor dem Tor von Gegner Australien, eine aussichtsreiche Position. Klara Bühl steht bereit. Standardspezialistin vom deutschen Meister Bayern München und derzeit in Topform. Den Freistoß wird sie an diesem Tag natürlich trotzdem nicht ausführen. Bühl ist nur Statistin. Neben ihr steht die Hauptperson. Alex Popp schließt kurz die Augen, atmet noch einmal durch, nimmt zwei Schritte Anlauf und schießt den Ball mit dem linken Fuß mitten in die Mauer. Ein Seufzer geht durchs Stadion.

Zwei Minuten später segelt eine gut getimte Flanke von Vivien Endemann in den australischen Strafraum, am langen Pfosten schraubt sich jemand in die Höhe und köpft den Ball ins Tor. Ein klassischer Popp-Treffer – allerdings von Selina Cerci, der zweiten deutschen Stürmerin an diesem Abend. 1:0 für Deutschland. Kurzer Jubel, dann geht es weiter.

Alexandra Popp läuft bei ihrem Abschiedsspiellachend auf eine jubelnde Gruppe ihrer Nationalmannschaftskolleginnen zu.
Popp feiert im Spiel gegen Australien mit ihrem Team das 1:0 durch Selina Cerci. Foto: Leonie Kiehl

Alex Popp rennt, kämpft, fuchtelt mit den Armen und schimpft als sich die australische Torhüterin mit einem Abstoß in der zehnten Spielminute Zeit lässt. Viel Zeit. Popps Zeit. Fünf Minuten später ist die endgültig abgelaufen. Der neue Bundestrainer Christian Wück nimmt Popp vom Feld. Für sie kommt Nicole Anyomi ins Spiel. Alexandra Popps Karriere in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft endet an diesem Abend in der 15. Spielminute da, wo sie fast 15 Jahre zuvor begonnen hat: in der Duisburger MSV-Arena.

Erstes Länderspiel mit 18 Jahren

Bei ihrem ersten Länderspiel für die Fußballnationalmannschaft der Frauen ist Alexandra Popp 18 Jahre alt und, so sagt sie es später selbst, ein „kleines Mädchen ohne Körperspannung mit schlottrigen Knien“. Letzteres mag auch an der Respekt einflößenden Ausstrahlung der damaligen Bundestrainerin Silvia Neid gelegen haben. Ihre erste Begegnung mit Neid beschreibt Popp in ihrer Autobiografie „Dann zeige ich es euch eben auf dem Platz“ jedenfalls so:

„Ich bin Poppi“, krächze ich. „Nicht hier bei uns“, antwortet sie. „Das ist mir zu kindisch.“ Und an die anderen Spielerinnen gewandt: „Das ist Alex. Sie ist neu hier.“

Die Szene spielt kurz vor Popps erstem Länderspieleinsatz in Duisburg gegen Nordkorea. Neid wirft die Nachwuchshoffnung des deutschen Frauenfußballs am 17. Februar 2010 in der 69. Minute ins kalte Wasser – und „Poppi“ schwimmt. 

Zu Beginn ihrer Nationalmannschaftskarriere teilt sie sich das Zimmer mit Sturmlegende Birgit Prinz und weiß deshalb manchmal „vor lauter Ehrfurcht gar nicht, wohin mit mir“. Doch auf dem Platz kennt die junge Alex Popp weder Angst noch Ehrfurcht. Im Sommer 2010 stürmt sie mit der U20-Nationalmannschaft durch die Heim-WM und räumt am Ende neben dem Titel der U20-Weltmeisterin auch noch die Trophäen für die beste Spielerin und die beste Torschützin des Turniers ab. 

Silvia Neid beruft den Shootingstar daraufhin als jüngste Spielerin auch in den Kader der A-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft 2011. Doch bei dem Turnier, das ebenfalls in Deutschland stattfindet, enttäuscht das Team die hohen Erwartungen. Mit viel Euphorie gestartet, scheitern die Deutschen im Viertelfinale an Japan. 0:1 nach Verlängerung – aus der Traum vom Weltmeistertitel.

Immer volle Lotte und oft außer Gefecht

Alexandra Popp gibt auf der Jagd nach Titeln viel – oft mehr, als ihrem Körper gut tut. „Als Trainerin an der Seitenlinie musste man auch immer ein bisschen Angst um sie haben, weil sie total kompromisslos gespielt hat. Manchmal habe ich gedacht: Ein bisschen mehr Zurückhaltung würde dir ganz guttun, du musst da nicht immer volle Lotte reingehen“, sagt Silvia Neid im „Kicker“ über ihre frühere Spielerin. Aber Popp kann nicht anders, die Leidenschaft, die Wucht, der Einsatz – das ist ihre Mentalität und ihr Spiel.

2013 tritt sie trotz einer Fußverletzung für den VfL Wolfsburg im Champions-League-Finale an – fit gemacht mit 25 Spritzen, wie sie in ihrer Biografie berichtet. Den Titel holen die Wolfsburgerinnen, doch Popp zahlt einen hohen Preis. Die Teilnahme an der Europameisterschaft in Schweden muss sie absagen. Der Fuß hält der Belastung nicht stand.

Da weitere Spielerinnen verletzt zu Hause bleiben müssen, ist das deutsche Team am Ende ziemlich bunt zusammengewürfelt. Dennoch holt es im schwedischen Solna den Titel – ohne Alexandra Popp, die frustriert zu Hause vor dem Fernseher sitzt.

Vier Jahre später, kurz vor der EM 2017, muss sie erneut passen. Bei einem Trainingsspiel gegen eine männliche Jugendauswahl zieht sie sich einen Meniskusriss und eine Außenbanddehnung im linken Knie zu.

Die EM 2022 macht sie zum Star

In der Vorbereitung auf das Turnier 2022 schlägt der EM-Fluch wieder zu. 14 Monate vor dem Eröffnungsspiel erleidet Alex Popp einen Knorpelabriss im rechten Knie, die bislang schwerste Verletzung ihrer Karriere. Popp wird operiert, kämpft sich zurück – und fällt durch den Medizincheck. Nach einer weiteren Operation geben die Ärzte schließlich grünes Licht. Popps erster EM-Teilnahme steht eigentlich nichts mehr im Wege. Bis sich die Stürmerin drei Wochen vor dem Start mit Corona infiziert. Die Quarantäne zieht sich quälend lange hin.

Doch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, unter der Popp einst als 17-Jährige beim FCR Duisburg in der Bundesliga debütierte, hält an ihrer Kapitänin fest. Sie nominiert Popp nicht nur für die Europameisterschaft in England, sondern setzt sie dort auch auf ihrer Lieblingsposition in der Spitze ein. Ihr Vertrauen zahlt sich aus. Ohne Vorbereitung trifft Popp in jedem Spiel mindestens einmal und führt die deutsche Mannschaft schließlich mit einer überragenden Leistung gegen Frankreich ins Finale.

Der ersehnte Titel ist nach der langen Leidenszeit zum Greifen nahe. Doch im Abschlusstraining am Tag vor dem EM-Finale spürt Alex Popp bei einem Elfmeterschuss ein Ziehen im Oberschenkel. Sie lässt sich behandeln, versucht noch einmal alles, ist sogar beim Aufwärmen im Wembley-Stadion dabei, muss aber schließlich einsehen: Es geht nicht. Sie kann der Mannschaft im Spiel gegen Gastgeber England nicht helfen. Die bittere 1:2-Niederlage muss Popp tatenlos von der Bank aus mit ansehen. Doch ihre persönliche Leistung bei diesem Turnier macht sie endgültig zum Star.

Nur ein großer Titel mit der Nationalmannschaft

Alexandra Popps Titelsammlung ist so groß, dass sie vermutlich froh ist, dass es Mannschaftserfolge sind und so andere fürs Lagern und Abstauben der Trophäen zuständig sind. Doch während Popp auf Vereinsebene im Laufe ihrer Karriere eine schier unglaubliche Zahl an Medaillen und Pokalen gewinnt  – sie wird allein sieben Mal Deutsche Meisterin, 13 Mal DFB-Pokalsiegerin, einmal UEFA-Cup-Siegerin und zweimal Champions-League-Siegerin – kann sie mit der A-Nationalmannschaft nur einen einzigen großen Titel feiern: den Olympiasieg 2016 in Rio.

Weltmeisterin oder Europameisterin wird sie – anders als viele deutsche Spitzenspielerinnen vor ihr – nie. Auch die Trophäe für die Weltfußballerin des Jahres bekommt sie nie überreicht. Birgit Prinz, mit der die junge „Poppi“ zu Beginn ihrer Karriere das Zimmer teilte, gewann die Auszeichnung gleich dreimal, wurde fünfmal Europameisterin und zweimal Weltmeisterin. Popp hingegen steht als Gesicht der deutschen Mannschaft für eine Zeit, in der sie ihre Vormachtstellung im europäischen Frauenfußball verliert. Was also macht sie dennoch zur Galionsfigur?

Alexandra Popp schießt im Trikot des VfL Wolfsburg einen Freistoß. Sie ist dabei von hinten zu sehen.
Mit Wolfsburg gewann Alex Popp nahezu jeden Titel, der im Vereinsfußball zu holen ist. Foto: Leonie Kiehl

Es ist wohl die einzigartige Kombination aus ihren fußballerischen Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit. Der ehemalige Bundestrainer Horst Hrubesch beschreibt Popp in der NDR-Reportage „Alexandra Popp – Ende Legende“ sehr treffend so: „Sie ist eine der überragenden Kopfballspielerinnen dieser Erde. Aber ich will sie nicht darauf reduzieren. Sie kann auf der Sechs spielen, sie kann dahinter spielen, sie kann vorne drin spielen und sie spielt für die Mannschaft. Das ist, glaube ich, der entscheidende Faktor: Dass sie sich für nichts zu schade ist und auch Drecksarbeit macht.“ Ihre ehemalige Nationalmannschaftskollegin Dzsenifer Maroszan bezeichnet Popp im „Kicker“ als „Geschenk für jede Mannschaft“.

Enorme Vielseitigkeit auf dem Platz

Das Datenanalyse- und Scoutingunternehmen Global Soccer Network (GSN) weist für Alexandra Popp seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2016 gleich 15 verschiedene Positionen aus, von hinten links bis vorne rechts.

Die heute 33-Jährige hat sich mit den Jahren von einer klassischen Mittelstürmerin zu einer modernen Box-to-Box-Spielerin mit großem Aktionsradius zwischen den Strafräumen entwickelt – und sich dabei ihre Torgefährlichkeit bewahrt. Nur Birgit Prinz (128) und die verstorbene Heidi Mohr (83) haben bis heute mehr Tore für die deutsche Nationalmannschaft erzielt als Alexandra Popp. 67 waren es am Ende. 

Popp hat eine Präsenz auf dem Platz, die sie zur Führungsspielerin machte, lange bevor sie Kapitänin wurde. Hinzu kommt ihre enorme Vielseitigkeit. Popp spielt dort, wo sie gebraucht wird. Und sie geht dahin, wo es weh tut – auf und neben dem Platz.

„Irgendwann konnte ich mich selbst nicht mehr sehen“

So ist die gebürtige Wittenerin über die Jahre zur Identifikationsfigur und zum Sprachrohr des deutschen Frauenfußballs geworden. Popp sei „ein klar gestrickter Typ“, der immer vorangehe, Verantwortung übernehme und dabei glaubwürdig sei, so Hrubesch im „Kicker“. 

Sie trägt die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben aus Überzeugung, setzt sich für bessere Trainingsbedingungen und gerechtere Bezahlung im Frauenfußball ein, geht in Talkshows, gibt kritische Interviews und setzt sich zur Not auch neben Thomas Gottschalk auf’s „Wetten das…“-Sofa, wenn das Aufmerksamkeit für ihren Sport bringt. „Poppi war über Jahre präsent, genau das brauchen wir“, sagt Nationalspielerin Klara Bühl. 

Alexandra Popp ist ein offener Typ, sehr direkt und sie hat einen trockenen Humor. Der blitzt etwa auf, wenn sie mit Horst Hrubesch über die Frage diskutiert, wen von Beiden die Deutschen im Kreuzworträtsel als „Kopfballungeheuer“ eintragen. Oder, wenn sie auf eine satitrische Foto-Montage des Online-Magazins „FUMS“ damit reagiert, dass sie sich einen Schnurrbart anklebt und als „Alex Bopp“ in einer Pressekonferenz scherzhaft verkündet, dass sie ab sofort auch für die Männer-Nationalmannschaft zur Verfügung steht.

Diese Lockerheit macht sie zu einer beliebten Interviewpartnerin. Dass nicht alle das immer so gut fanden wie Klara Bühl, verrät Popp in ihrer Biografie, in der sie berichtet, wie Silvia Neid ihr während der Heim-WM 2011 ausrichten ließ, sie möge sich medial mal ein bisschen zurückhalten.

Nach der Europameisterschaft 2022, die sie endgültig zum Star des deutschen Frauenfußballs macht, wird das schwierig. Der Rummel um ihre Person und die Auswirkungen auf ihre Privatsphäre machen Popp schließlich stark zu schaffen. „Irgendwann konnte ich mich selbst nicht mehr hören und nicht mehr sehen“, sagt sie Anfang 2024 im Gespräch mit der „Wolfsburger Allgemeinen Zeitung“.

Allein unter Jungs

Dabei hat alles so beschaulich angefangen, beim FC Schwarz-Weiß Silschede im südlichen Ruhrgebiet. Mit fünf Jahren darf Alexandra Popp dort endlich mitspielen. Vorher hat sie nur sehnsüchtig zugeschaut, wenn ihr älterer Bruder Dennis mit seiner Mannschaft kickte.

Bis sie 14 ist, spielt Alexandra in ihrem Heimatverein mit „ihren Jungs“, hat jede Menge Spaß, lernt sich durchzusetzen und erträgt mit der Unterstützung ihres Trainers die dummen Sprüche der gegnerischen Teams. Die verstummen aber ohnehin meist, sobald „das Mädchen“ zeigt, was in ihm steckt.

Mit 14 Jahren muss Alexamdra Popp in eine Mädchenmannschaft wechseln. So sind die Regeln. 2007 geht sie zum FFC Recklinghausen. 2008 unterschreibt sie, trotz eines Angebots des europäischen Spitzenklubs Olympique Lyon, mit 17 Jahren ihren ersten Bundesligavertrag beim FCR Duisburg. Frankreich? Das ist für Popp, die von ihrem Vater liebevoll als „Heimscheißerin“ tituliert wird, viel zu weit außerhalb ihrer Komfortzone. „Ich mag es eben, wenn Dinge bleiben, wie sie sind“, schreibt sie in ihrer Biografie.

Popps Eltern betreiben eine Metzgerei. Als diese pleite geht und sie Privatinsolvenz anmelden müssen, muss das Mädchen das Fahrtgeld, das es vom Verein erhält, zum Familieneinkommen beisteuern.

Alexandra Popp ist nach dieser Erfahrung früh klar, wie wichtig eine finanzielle Absicherung ist. Zur Saison 2012/13 wechselt sie gemeinsam mit ihrer Duisburger Vereinskameradin Luisa „Lulle“ Wensing zum VfL Wolfsburg. Dort beginnt sie parallel zu ihrer Fußballkarriere eine Ausbildung zur staatlich geprüften Tierpflegerin im etwa 20 Kilometer entfernten Tierpark Essehof.

Bitteres Vorrunden-Aus in Australien

Im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland nutzt Popp ihr berufsbedingtes Expertenwissen für einen kleinen Vortrag über die dortigen Tierarten. Es geht um Koalas, verschiedene Känguru-Arten „und natürlich um die giftigsten Tiere der Welt“, sagt Popp. Bei ihren Teamkolleginnen sei das nicht so gut angekommen – sie selbst habe aber Spaß gehabt.

Vor Ort gibt es dann für alle wenig zu lachen. Nach einem 6:0 im Auftaktspiel gegen Marokko, verliert die deutsche Mannschaft gegen Kolumbien durch ein Tor in der Nachspielzeit und scheidet nach einem 1:1 gegen Südkorea schließlich völlig überraschend aus. Das DFB-Team verpasst damit erstmals bei einem großen Turnier die K.-o.-Phase.

Dass das Unentschieden, bei dem sie noch den Ausgleich erzielt, nicht zum Weiterkommen reicht, realisiert Alexandra Popp erst einige Minuten nach dem Schlusspfiff. „Das Aus in der Vorrunde war das Schlimmste, was ich in meiner Karriere erlebt habe“, sagt die Kapitänin der deutschen Mannschaft später. Mit dieser Schmach will sie nicht von Bord gehen. Popp beschließt, noch einmal bei Olympia anzutreten.

Bronzener Abschluss in Paris

Vor den Olympischen Spielen in Frankreich trauen die wenigsten Experten Popps Team viel zu. Im ersten Gruppenspiel schlagen die von Interimscoach Horst Hrubesch trainierten deutschen Frauen Gastgeber Australien mit 3:0. Im zweiten gehen sie 1:4 gegen die USA unter. Danach fegen sie Sambia 4:1 vom Platz und qualifizieren sich für das Viertelfinale gegen Kanada, das sie im Elfmeterschießen gewinnen.

Im Halbfinale geht es erneut gegen die USA, allerdings ohne Alexandra Popp, die wegen eines Infekts ausfällt. Auch Sturmkollegin Lea Schüller muss passen und so verliert die deutsche Mannschaft das Spiel durch ein Tor in der 95. Minute mit 0:1.

Die Partie um Platz drei gegen Weltmeister Spanien wird zum Nervenspiel. In der 65. Minute geht Deutschland durch ein Elfmetertor von Giulia Gwinn in Führung. In der siebten Minute der Nachspielzeit hält Torhüterin Ann-Katrin Berger einen Elfmeter der Spanierinnen. Dann ist Schluss. Die Deutschen gewinnen Bronze. Während um sie herum gefeiert wird, sitzt Alexandra Popp erschöpft am Boden und weint. Sie ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass ihre DFB-Karriere hier zu Ende geht, vielleicht weiß sie es sogar schon. Knapp zwei Monate später gibt sie ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt.

„Junge Mädchen haben wegen ihr das Fußballspielen angefangen. Wenn man so etwas erreicht, dann hat man sehr viel richtig gemacht.“
Bundestrainer Christian Wück über Popp


Bei Olympia habe sie gemerkt: „Ich brenne nicht mehr so“, sagt Alexandra Popp über ihren Abschied vom DFB-Team. Die Entscheidung zum Rücktritt habe sie immer selbstbestimmt treffen wollen. „Weder mein Körper, der eine tickende Zeitbombe ist, noch eine andere Person sollten mir zuvorkommen.“ Ungewöhnlich offene Worte für eine Spielerin, deren Vereinsvertrag am Saisonende ausläuft. Aber eben auch typisch Alexandra Popp.

Alexandra Popp applaudiert dem Publikum bei ihrem Abschiedsspiel. Sie trägt eine schwarze Jacke und eine weiße Trainingshose. Sie wirkt gerührt.t
Die Entscheidung über ihren Abschied wollte Alexandra Popp selbstbestimmt treffen. Foto: Leonie Kiehl

Der neue Bundestrainer Christian Wück würdigt sie in Duisburg als das prägende Gesicht der Nationalmannschaft der vergangenen 15 Jahre. „Junge Mädchen haben wegen ihr das Fußballspielen angefangen. Wenn man so etwas erreicht, dann hat man sehr viel richtig gemacht.“ Popp sei eine Schlüsselspielerin gewesen, die auf und neben dem Platz vorangegangen sei mit ihrer Einstellung, Mentalität, Persönlichkeit und ihren fußballerischen Qualitäten, so Wück. Diese Lücke müssten nun andere füllen.

„Viel Spaß mit dem Haufen!“

Damit das gelingt, werden sich ihre Mitspielerinnen beim DFB wohl zusammentun müssen. Giulia Gwinn zum Beispiel teilt mit Popp die Bereitschaft, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen. Eine gesunde Lena Oberdorf bringt den Einsatz, die Spielintelligenz und die Wucht von Popp mit. Sjoeke Nüsken ist ähnlich vielseitig, Klara Bühl hat die Technik und die Dynamik. Lea Schüller könnte ihre Kopfballstärke einbringen und Torhüterin Sophia Winkler, deren Karriere in der A-Nationalmannschaft gerade erst begonnen hat, erinnert in ihrer Unbekümmertheit in manchen Momenten ein wenig an die junge „Poppi“.

Was sie von ihnen erwartet, hat Alexandra Popp ihren Mannschaftskolleginnen beim DFB zum Abschied in Duisburg persönlich mit auf den Weg gegeben. „Wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung des Frauenfußballs“, sagte sie nach ihrem 145. und letzten Länderspiel, das nach ihrer Auswechslung noch 1:2 verloren ging. Jetzt sei die nächste Spielerinnen-Generation dran, „auch mal ein bisschen Druck auszuüben“. Sie sollen sich in den Sturm stellen – so wie Alexandra Popp das getan hat.

Giulia Gwinn steht auf dem Platz. Sie trägt das Trikot der deutschen Nationalmannschaft.
Giulia Gwinn hat die Kapitänsbinde von Alex Popp übernommen. Foto: Leonie Kiehl

„Viel Spaß mit dem Haufen!“, hat Popp in Duisburg Giulia Gwinn lächelnd zugeflüstert, als sie ihr bei ihrer Auswechslung in ihrem Abschiedsspiel die Kapitänsbinde übergab. Alexandra Popp hat diesen Spaß im Nationaltrikot oft gehabt. Und sie hat ihn anderen bereitet.

Titelbild: Leonie Kiehl

Hinweis

Dieser Text ist bereits Ende Oktober 2024 kurz nach Alexandra Popps Abschiedsspiel aus der DFB-Elf entstanden. Damals gab es „11 Frauen“ noch nicht, weshalb er erst jetzt hier erscheint.

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner